Erster Alpencross zu Fuß 2014
[Reisebericht] [YouTube-Video]Die Idee
Seit Jahren war der Sommer für mich gleichbedeutend mit einem Alpencross per Mountainbike. Dafür braucht’s natürlich nicht nur Kondition, sondern auch Training in ordentlichem Höhenprofil – und genau das hatte ich 2014 nicht. Beruflich und privat war einfach zu viel los, um Wochenenden mit Schlammspritzern im Gesicht und Laktat in den Waden zu verbringen. Ganz auf ein Abenteuer in den Alpen zu verzichten, kam aber auch nicht infrage. Also Plan B: Warum nicht mal ohne Rad über die Berge? Zu Fuß, mit leichtem Gepäck, in eigenem Tempo. Wandern eben.
Die Idee: Weniger Kilometer, weniger Geschwindigkeit, weniger Schweiß – dafür mehr sehen, mehr atmen, mehr fotografieren. Ohne Sattel zwischen mir und der Landschaft, dachte ich, könnte ich die Alpen noch unmittelbarer erleben. Und vielleicht sogar mal unterwegs anhalten, ohne gleich vom Sattel zu kippen.
Auch ohne Bike sollte die Tour minimalistisch bleiben. Kein Riesenrucksack, kein Klappstuhl, keine Gaskartusche – nur das Nötigste. Ich wollte nicht wie ein Expeditionsesel über die Pässe kraxeln. Schließlich war ich überzeugt, dass man mit durchdachter Ausrüstung, ein bisschen Improvisationstalent und halbwegs stabilem Wetter gut über die Runden kommt. Außerdem ist ein Regentag zu Fuß immer noch erträglicher als einer auf dem Rad – weniger Fahrtwind, weniger Auskühlung, weniger Fluchen.
Die Route
Eine Woche war das Zeitfenster, mehr war 2014 einfach nicht drin. Also keine Adria, kein Gardasee – stattdessen Südtirol als Ziel. Startpunkt: Oberstdorf. Dort wimmelt es im Sommer bekanntlich von E5-Wanderern auf dem Weg nach Meran – das wollte ich nicht komplett ignorieren, aber möglichst schnell eigene Wege gehen. Die Eckpunkte blieben also: Oberstdorf bis Meran. Dazwischen: so viel Hochgebirge wie möglich, so wenig Zivilisation wie nötig.Mein Fokus lag auf Höhenwegen jenseits der 2000-Meter-Marke. Talorte wurden nur dann betreten, wenn’s sich gar nicht vermeiden ließ – zum Schlafen, Einkaufen oder weil kein Weg drumherumführte. Ich wollte Einsamkeit statt Selfiesticks, Fels statt Fahrstraße, Abenteuer statt Ausschilderung. Ohne Bike auf dem Rücken war das machbar. Dass es zwischendurch kraxelig, weglos oder alpin wurde, war eher Teil des Plans als Hindernis.
Mit einer Tagesleistung von etwa 20 Kilometern rechnete ich im Schnitt – wobei: Das ist ein theoretischer Wert. Ich hatte nämlich keine Ahnung, wie sich mein Körper nach drei Tagen Wandern am Stück anfühlen würde. Meine bisherigen Erfahrungen beschränkten sich auf Tageswanderungen mit Biergartenziel.

Die Tour startet klassisch: Von Oberstdorf hinein ins Trettachtal, vorbei an der Spielmannsau und durch den Sperrbachtobel zur Kemptner Hütte. Von dort hinauf zum Mädelejoch und runter nach Holzgau. Soweit, so bekannt.
Dann wird es alpiner: Aufstieg zur Frederic-Simms-Hütte, weiter zum Kälberlahnzugjoch (2590 m), über felsige Steige und abgelegene Pässe bis zum Hinterseejoch (2480 m), ehe der Abstieg nach Schnann folgt. Von dort führt ein vergessener Pfad über die Ganatschalpe ins wilde Malfontal – ein stilles, raues Eck. Weiter über die Edmund-Graf-Hütte und direkt übers Kappler Joch (2670 m), dann steiler Abstieg nach Unterbichl.
Der nächste Tag bringt mich durchs Grübeltal hinauf zum Oberen Malfragkopf (2780 m), eine abgelegene Gegend mit weitem Blick und wenig Menschen. Auf über 2500 m bleibe ich dann eine ganze Weile, die Ochsenscharte (2790 m) ist der höchste Punkt der gesamten Tour. Danach Abstieg durchs Stubental nach Pfunds.
Es folgt ein endlos langer Aufstieg durchs Nauderer Tschey zur Tscheyer Scharte (2810 m) – 18 km am Stück bergauf, eine echte Geduldsprobe. Belohnung: Abstieg nach Melag im Langtauferertal.
(Ursprünglich wollte ich von dort weiter über mehrere wilde Übergänge ins Vinschgau – Planeiler Scharte, Freibrunnerspitze, Rappenscharte, Mastaunjoch. Doch die Schneelage Anfang Juli machte mir einen Strich durch die Rechnung.)

Gesamtstrecke: 88 km
Gesamtanstieg: 6.750 Hm
Bei fünf Tagesetappen erwarten mich durchschnittlich etwa 1350 Hm und 18 km pro Tag.