Alpencross 2011 Reisebericht
[Reisebericht] [YouTube-Video]Die Idee
Nach dem rundum gelungenen Alpencross 2010 war für mich klar: Dieses Abenteuer verlangte nach einer Fortsetzung. Der ursprüngliche Plan, bereits 2011 erneut loszuziehen, wurde schnell Realität. Mein Material hatte sich größtenteils bewährt, und meine fahrtechnischen Fähigkeiten hatten gezeigt, dass sie den Herausforderungen gewachsen waren. Auch das zunächst unfreiwillige, aber im Nachhinein extrem bereichernde Erlebnis, den ersten Alpencross allein zu unternehmen, hinterließ Spuren – positive. Für mich stand fest: Auch diesmal würde ich wieder solo fahren.
Allein unterwegs zu sein bedeutete für mich vor allem eines: völlige Freiheit. Ich konnte mein Tempo fahren, Pausen machen, wann ich wollte, und Entscheidungen spontan fällen. Diese Tage ganz ohne Verpflichtungen, ohne Gespräche, ohne Handy – sie wirkten wie ein Reset-Knopf für mein sonst so durchgetaktetes Leben. Es tat gut, sich einfach mal selbst zu genügen. Außerdem war es ohnehin schwierig, einen Begleiter zu finden, der sowohl die nötige Motivation als auch die körperliche Fitness und alpine Erfahrung mitbrachte. Ein halbherziger Kompromiss kam für mich nicht in Frage – dafür war das Projekt zu ambitioniert.
Der Fokus lag dieses Mal noch stärker auf dem fahrtechnischen Anspruch. Ich wollte eine Route, die deutlich abseits der üblichen Transalp-Pfade verläuft – mit alpinen Übergängen, ruppigen Downhills und langen Singletrails. Der Anteil an Schiebe- und Tragestrecken würde sich entsprechend erhöhen, doch das war genau der Plan. Denn gerade die ruppigen, einsamen Strecken hatten mir im Jahr zuvor am meisten Freude bereitet. Ich wollte hoch hinaus – nicht nur geographisch, sondern auch fahrtechnisch. Mein treues Lapierre Zesty war dafür wie gemacht. Mit sattem Federweg und robuster Ausstattung würde es auch 2012 wieder hart rangenommen werden.
Ein weiterer Vorsatz: Ich wollte fitter an den Start gehen. In 2010 war mein Training verletzungsbedingt eher suboptimal gewesen. Dieses Mal nahm ich mir fest vor, frühzeitig mit dem Aufbau zu beginnen – weniger, um schneller zu sein, sondern vielmehr, um die Etappen besser genießen zu können. Denn klar war auch: Diese Tour würde anstrengender werden als der erste Alpencross.
Die Route
Die Routenplanung entwickelte sich schnell zur Wissenschaft. Dieses Mal stützte ich mich kaum auf bekannte Transalp-Vorlagen – fast keine der geplanten Etappen war irgendwo als MTB-Strecke dokumentiert. Umso wichtiger war es, Karten zu wälzen, Höhenprofile zu vergleichen und Wanderberichte zu studieren. Besonders abends, wenn andere fernsehen, saß ich über topographischen Karten, zeichnete Tracks ein und wog Optionen ab. Das war nicht Arbeit, das war Vorfreude pur.
Ich besorgte mir hochdetaillierte Kartenmaterialien – von den Allgäuer Alpen über Tirol und Südtirol bis hin zum Trentino. Letzteres stellte sich mal wieder als Problemkind heraus: veraltete Kartografie, lückenhafte GPS-Daten. Aber schließlich fand ich nach längerer Suche eine brauchbare Kompass-Karte der Brenta im Maßstab 1:25.000. Damit konnte ich arbeiten.
Der Startpunkt war dieses Jahr Immenstadt, nahe Oberstdorf – das Ziel blieb wie gehabt der Gardasee, genauer gesagt Torbole. Der Gedanke, nach einer Woche voller Schweiß, Staub und Grenzerfahrungen entspannt am Ufer zu sitzen und sich eine Pizza mit Blick aufs Wasser zu gönnen, war so motivierend wie nie.
Die Route selbst hatte es in sich. Technisch anspruchsvoll, physisch fordernd, und in weiten Teilen nur für erfahrene Biker mit alpiner Trittsicherheit und Freude an langen Tragepassagen geeignet. Einige Pässe waren in Bike-Foren sogar explizit als „nicht fahrbar“ beschrieben – genau dort wollte ich hin. Ich wollte ans Limit – und darüber hinaus.
(Aufgrund widriger Umstände wurde die Route stark angepasst. Hier ist nur die tatsächlich gefahrene Route beschrieben.)

Die Transalp beginnt in Immenstadt. Hinter Oberstdorf folge ich der Standardroute durch das Rappenalpental, zweige dann aber bald zur Großen Steinscharte (2260 m) ab, um mal einen neuen Pass zu versuchen. Von dort geht es auf einem schwierigen Trail abwärts nach Steeg. Es folgt ein Anstieg nach Kaisers.
Von Kaisers folge ich dem Almajurtal bis zur Erlachalpe und zweige dann ab auf den ausgesetzten Pfad zum Almajurjoch. Von der Leutkircher Hütte geht es auf einem steilen Weg hinab nach Pettneu. Die Route durch das Stanztal nach Landeck und dann entlang dem Inntalradweg in Richtung Pfunds ist unspektakulär.
Von Pfunds nach Nauders ist wegen der Tunnels und des Verkehrs der Bus empfehlenswert. Dann wird der Reschenpass gequert und es folgt ein steiler Radweg hinab ins Vinschgau. Es geht über Glurns durch das Tal nach Prad, dann kommt der Abzweig in das Suldental. Diesem folge ich entlang dem Ortler-Gebirge bis Sulden.
Der Weg bis zum Madritschjoch (3145 m) ist steil und schwierig. Dies ist der höchste Punkt der Tour. Danach führt der Pfad abwärts zur Zufallhütte in das Martelltal. Es geht über den Marteller Talweg wieder zurück ins Vinschgau und dann entlang der Via Claudia bis Meran.
Von Meran über Bozen bis Grumo folgt man dem Etschtaler Radweg. In Grumo nehme ich den Zug nach Cles, um noch in das Brenta-Gebirge hineinzukommen. Bei Tuenno zweigt die Straße ab in das Valle di Tovel und führt steil bergauf bis zum Lago di Tovel.
Von Tovel geht es stetig aufwärts vorbei an der Malga Flavona in das beeindruckende Gebiet des Campo di Flavona. Nach Überschreitung des Passo della Gaiarda geht es auf einem sehr steilen Pfad hinunter zur Malga Spora, und von dort über Andalo nach Molveno.
Das Brenta-Gebirge liegt nun hinter mir. Von Molveno geht es über San Lorenzo in Banale, Villa Banale, Bleggio Inferiore und Dasindo durch das Val Lomasona aufwärts und über einen Bergrücken (Croce di Bondiga, 885 m) hinunter nach Arco und Riva del Garda.

Gesamtstrecke: 410 km
Gesamtanstieg: 10.000 Hm
Bei sieben Tagesetappen erwarten mich durchschnittlich etwa 1430 Hm und 57 km pro Etappe.
Teile der Route sind extrem anspruchsvoll, kräftezehrend und nur für Mountainbiker zu empfehlen, die alpine Erfahrung haben und auch damit klar kommen ihr Bike täglich stundenlang bergauf zu tragen. Viele der Downhill-Trails sind nur von Leuten fahrbar, die entsprechende Freeride-Erfahrung mitbringen. Einige der Pässe gelten in Mountainbiker-Kreisen als nicht fahrbar. Dort ist mit längeren Tragestrecken und Trails auf hohem Niveau zu rechnen.
Die Rückreise
Ein Problem stellte sich allerdings recht früh: Die Bahn hatte 2011 entschieden, in den Eurocity-Zügen von Rovereto keine Fahrräder mehr mitzunehmen. Das hieß: Alternativen mussten her.
Eine Option war die italienische Regionalbahn bis zum Brenner. Zwar etwas umständlicher, aber machbar. Ab dort war die Fahrradmitnahme wieder problemlos möglich – entweder direkt weiter nach Deutschland oder mit dem Rad bis Innsbruck, um sich von dort aus mit dem günstigen Bayernticket nach Hause zu rollen. Die Abfahrt vom Brenner über Matrei auf der alten Römerstraße ist landschaftlich ohnehin ein Leckerbissen.
Wer es komfortabler wollte (oder die müden Beine schonen musste), konnte auch auf einen Bike Shuttle zurückgreifen. Anbieter gab es genug, und gegen rund 100 Euro wurde man samt Bike direkt vom Gardasee nach Tirol oder Oberbayern gebracht. Nicht gerade günstig, aber dafür unkompliziert.
Kartenmaterial
Hier eine Liste der Kompass Wanderkarten, die man für die Route benötigt:
- 24 Lechtaler Alpen, Hornbachkette 1:50.000
Art.-Nr. 06 01902400
ISBN 978-3-85491-025-1 - 42 Landeck, Nauders, Samnaungruppe 1:50.000
Art.-Nr. 06 01904200
ISBN 978-3-85026-542-3 - 52 Vinschgau/Val Venosta 1:50.000
Art.-Nr. 06 01905200
ISBN 978-3-85491-058-9 - 53 Meran und Umgebung/Merano e dintorni 1:50.000
Art.-Nr. 06 01905300
ISBN 978-3-85491-059-6 - 95 Val di Non/Nonstal, Passo Mendola/Mendelpass 1:50.000
Art.-Nr. 06 01909500
ISBN 978-3-85491-691-8 - 73 Dolomiti di Brenta 1:50.000
Art.-Nr. 06 01907300
ISBN 978-3-85491-082-4 - 071 Alpi di Ledro, Valli Giudicarie 1:50.000
Art.-Nr. 06 01900710
ISBN 978-3-85491-560-7