Alpencross 2013 Reisebericht
[Reisebericht] [YouTube-Video]Die Idee
Nach drei Transalps durch Tirol und Südtirol wurde es Zeit für etwas Neues. Die vertrauten Bergketten hatte ich durchquert, die Routen über die altbekannten Pässe in den Beinen – schön, fordernd, aber eben nicht mehr überraschend. Also begann ich, neue Ideen zu sammeln. Die Schweiz reizte mich – ein wilder Westalpen-Cross, vielleicht. Oder ein Revival meiner Route von 2010? Auch Osttirol mit seinen stilleren Tälern und die Dolomiten standen hoch im Kurs. Ich hatte sogar schon einen Dolomitencross weitgehend geplant, als sich mein Blick auf der Landkarte in eine andere Richtung verlagerte: weiter nach Osten.
Warum eigentlich immer zum Gardasee? Könnte das Ziel nicht auch ganz anders aussehen – ein anderes Meer, eine andere Kultur, ein anderer Klang? Beim Durchstöbern topografischer Karten blieb ich an einer Linie hängen: Salzburg – Triest. Eine schräge, wenig befahrene Achse durch die Südostalpen. Kaum jemand schien sie auf dem Mountainbike zu durchqueren, abgesehen vom Alpe-Adria-Radweg, der mich allerdings nie besonders gereizt hat. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr wuchs der Reiz. Eine Route abseits der bekannten Pfade. Weniger populär – aber genau das macht’s doch spannend.
Wie immer war mein Kompass klar: Ich wollte anspruchsvolle Trails bergab. Kein Alpencross ohne ehrliche Abfahrten – technisch, wild, abgelegen. Doch dieses Mal wurde die Planung zur echten Detektivarbeit. Ich kannte die Gegend kaum, viele Regionen waren für mich weiß auf der mentalen Landkarte. Also begann ich, Höhenlinien zu studieren, Schattierungen zu deuten, Steigungen zu schätzen. Ich durchforstete Wanderberichte, suchte Fotos auf alten Webseiten, versuchte, ein Gefühl für das Terrain zu bekommen – oft vergeblich. Manchmal blieb nur eine Hoffnungslinie auf der Karte und der Gedanke: Wird schon irgendwie gehen.
Slowenien war völliges Neuland. Ich wusste kaum etwas über das Land, nur, dass es Bären und Wölfe geben sollte. Große, einsame Wälder. Weitläufigkeit. Stille. Und dass man dort vermutlich eher einem Luchs als einem Wanderer begegnet. Woher bekommt man gutes Kartenmaterial? Wie würden die Tiere reagieren, wenn da nachts ein Biwaksack im Farn liegt und leise atmet? Ich wusste es nicht. Und gerade deshalb musste ich dorthin.
Weil ich unterwegs kaum abschätzen konnte, wo ich am Abend landen würde – ob auf einer Almwiese, einem Forstweg oder einer Lichtung irgendwo zwischen zwei Tälern – war klar: Ich würde wieder biwakieren. Schlafsack, Isomatte, Tarp. Und die Hoffnung auf beständiges Wetter. Eine Unterkunft würde ich finden, wenn es sein musste. Aber schöner wäre es, einfach dort zu bleiben, wo der Tag mich hinschmeißt. Allein. Das bin ich ohnehin gewohnt. Auch diesmal war kein Partner für dieses Abenteuer zu finden – zu speziell, zu viel Risiko, zu wenig Komfort. Also wieder solo. Und ehrlich gesagt: Ich freue mich darauf.
Bei all dem – und das will ich betonen, gerade für andere, die sich in diese Welt auf zwei Rädern hinauswagen – bleibt eines immer wichtig: Rücksicht. Wir sind Gäste in diesen Bergen. Die Natur, die Tiere, die Menschen, denen wir begegnen – sie sind nicht für uns da, wir dürfen da sein. Mit Demut. In manchen Regionen ist der Mountainbike-Sport nur geduldet, oft mit kritischem Blick. Lärm, Ego und Spuren im Hang – das brauchen weder Mensch noch Landschaft. Also: langsam fahren, freundlich sein, absteigen, grüßen. Das öffnet manchmal Türen – und oft Herzen.
Die Route
Die Route? Von Berchtesgaden geht es nach Österreich und durch das Land Salzburg über einige Pässe bis zum Alpenhauptkamm. Ich habe versucht, Straßen zu meiden und ein paar unbekanntere Übergänge einzubauen. Danach weiter durch Kärnten bis an den Rand des Dreiländerecks – Österreich, Italien, Slowenien. Dort beginnt das Abenteuer Triglav. Ich werde gut 150 Kilometer durch Slowenien fahren – ein echtes Highlight, denke ich. Kaum bekannte Täler, ursprüngliche Wälder, viel Ungewissheit. Und am Ende kein Gardasee, sondern: Triest. Das Mittelmeer. Der Horizont in Salzwasser. Ich freue mich darauf.
Natürlich: Der Triglav-Nationalpark ist streng geschützt. Offiziell sind die meisten Wege für Mountainbikes gesperrt. Parkranger patrouillieren. Wer dort unterwegs ist, sollte bereit sein zu tragen – oder zu schieben. Wer erwischt wird, zahlt. Nicht wenig. Aber mit etwas Respekt und Vorsicht lässt sich die Magie dieser Berge erleben, ohne Spuren zu hinterlassen.

Die Gegend von Salzburg ist ein optimaler Startpunkt für einen Ostalpencross, weil sie gut mit der Bahn erreichbar ist. Von dort fahre ich auf dem Radweg nach Berchtesgaden, was etwa 20 km südlich von Salzburg liegt. Mit Blick auf den Königssee geht es hoch auf den ersten Pass, das Torrener Joch.
Nach der Abfahrt vom Torrener Joch radle ich entlang der Salzach über Bischofshofen nach St. Johann im Pongau. Nach der Landstraße nach Großarl komme ich über Hüttschlag zum Anstieg auf die Tofernscharte. Diese quere ich nach Bad Gastein.
Über das Anlauftal erreiche ich den Beginn von einer alten Römerstraße und folge einem steilen Steig hinauf auf den Korntauern (Hoher Tauern), um den Alpenhauptkamm zu bezwingen. Das wird mit 2450 m der höchste Punkt der Ostalpenüberquerung. Danach befinde ich mich im kärntner Seebachtal und rolle über Mallnitz bergab bis Obervellach.
Ich folge ein Stück dem Flüsschen Möll bis Sachsenburg, dann zweige ich ab ins Oberdrautal und überquere die Fellscharte bis zum Weißensee.
Weiter geht es über das Naggler Nock abwärts nach St. Lorenzen und Hermagor, dann ein Stück auf dem Karnischen Radweg entlang der Gail. Ich überquere den Achomitzer Berg westlich vom Dreiländereck und befinde mich für kurze Zeit in Italien. Von Camporosso in Valcanale folge ich einem für Mountainbiker wenig spannenden Radweg entlang einer stillgelegten Bahnlinie bis Ratece. Herzlich willkommen in Slowenien!
Bei Kranjska Gora biege ich in den Triglav-Nationalpark ein und fahre auf einer Passstraße hoch bis zum Vršic. Auf einem Wanderweg versuche ich, bis nach Trento ins Soca-Tal hinunterzukommen. Ich folge der Soca durch den Triglav-Nationalpark bis Bovec.
Hinter Bovec macht die Soca einen Knick und es geht über Kobarid bis nach Tolmin. Die höchsten Berge der Alpenüberquerung liegen nun hinter mir. Größtenteils auf Landstraßen kämpfe ich mich weiter über Cepovan und Lokve auf den 1250 m hohen Berg Modrasovec im Caven-Gebirge.
Nun steht mir die letzte Etappe bis Triest bevor. Ich fahre teils auf einem Trail ab zur Reka Vipava in der Nähe von Ajdovšcina. Weiter über einige Dörfer nach Štanjel und bis an die italienische Grenze. Das letzte Gefälle bringt mich nach Santa Croce ans Mittelmeer. Von hier aus sind es nur noch 10 km Küstenstraße bis Triest.

Gesamtstrecke: 460 km
Gesamtanstieg: 12.250 Hm
Bei acht Tagesetappen erwarten mich durchschnittlich etwa 1530 Hm und 60 km pro Etappe.
Die meisten Strecken durch den Triglav-Nationalpark sind für Mountainbikes nicht freigegben. Park Ranger bewachen den Nationalpark. Man muss sich ggf. darauf einstellen, das Bike zu tragen oder zu schieben, ansonsten könnten saftige Strafen fällig werden.
Die Rückreise
Und dann kommt der Rückweg – ebenfalls ein kleines Abenteuer: Von Triest mit der Regionalbahn nach Udine, weiter mit der Micotra bis Villach. Dort wartet ein EC mit Radabteil, der mich ohne Umsteigen zurück nach München bringt. Die Reise wird also mit einer langsamen Annäherung an den Alltag enden. Genau richtig.