Alpencross 2011 - Tag 3
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Prutz - Pfunds - Nauders - Reschenpass - Prad - Sulden
Länge: 84 km
Steigung: 1010 Hm
Am Vorabend hatte ich mir wieder eine private Unterkunft gegönnt – mit dem klaren Ziel: Kartenstudium. Lange brütete ich über der geplanten Route, denn heute würde ich Pfunds erreichen und damit erneut meine ursprüngliche Linie kreuzen. Ein prüfender Blick auf den weiteren Verlauf machte aber schnell klar: Fürs Planeiler Joch und vor allem das Tscheyer Schartl würde ich jeweils einen ganzen Tag brauchen – Minimum. Wenn ich mir noch irgendeinen Puffer für die restlichen Etappen meines Alpencross gönnen wollte, musste ich auch diesen Abschnitt streichen. Schweren Herzens beschloss ich daher, beide Übergänge auszulassen und stattdessen über den Reschenpass ins Vinschgau zu wechseln – um dort wieder „offiziell“ in meine Route einzusteigen.
Auf dem Weg nach Pfunds hatte ich noch ein nerviges Dauerproblem zu lösen: meine quietschenden Hinterradbremsen. Trotz einiger Improvisationsversuche bekam ich das Geräusch nicht wirklich in den Griff. Ansonsten verlief dieser Abschnitt recht ereignislos. Meine Wirtin hatte mich eindringlich gewarnt: Die Bundesstraße von Pfunds nach Nauders sei stark befahren, gespickt mit Tunneln und Abgasen. Ich solle besser den Bus nehmen. Ein weiser Rat – dem ich kurzerhand folgte. Der Verkehr der letzten Tage hing mir ohnehin zum Hals raus.

Der Bus nach Nauders fährt stündlich – mit Fahrradanhänger. Als der Fahrer dann Vorder- und Hinterrad meines Bikes in die klapprigen Klemmvorrichtungen zwingen wollte, wurde es spannend: Mein langes Rad mit den breiten Stollenreifen passte nur mit Mühe hinein – das Ganze sah alles andere als vertrauenerweckend aus. Der Fahrer zuckte die Schultern, grinste und meinte lakonisch: „Wenn’s Rad weg ist, sagst halt Bescheid.“ Großartig. Bevor ich irgendwas erwidern konnte, sprang der Bus schon an. Also ab auf die Rückbank, Blick auf das wackelnde Bikes auf dem Anhänger – und hoffen. Die Serpentinenfahrt dauerte 15 bange Minuten, in denen ich mehr auf die zitternden Klemmarme als auf die Landschaft achtete. Trotzdem: eine gute Entscheidung. Der Verkehr war wirklich übel, die Fahrt nach Nauders wäre ein einziger Kampf gewesen. (Erst nach meiner Tour fand ich heraus, dass es auch eine ruhige Nebenstrecke über Martina gegeben hätte – entlang der Grenze und dann in elf Kehren die Martinsbrucker Straße hinauf. Tja.)

Ab Nauders folgte ich wieder der Via Claudia Augusta über den Reschenpass – vorbei am Reschensee und Haidersee. Die Strecke ist landschaftlich durchaus reizvoll, aber eher für Renn- oder Tourenräder gemacht: flach, asphaltiert, entspannt. Danach ging’s richtig zur Sache – ein steiler und rasanter Abstieg ins Vinschgau über Schleis, Glurns und weiter nach Prad. Der Weg war ein Bremsbelagvernichter erster Güte. Viele Radler waren hier unterwegs – die klassische Via-Claudia-Route in Richtung Meran ist offenbar beliebt.

Mein nächstes Ziel: Sulden. Eigentlich hatte ich vor, den Wanderweg Nr. 6 hinaufzunehmen – aber bei genauerem Blick auf die Höhenlinien war klar: Das würde heute nichts mehr. Schieben auf ganzer Länge, dafür reichten Kraft und Nerven nicht. Also Plan B: die Straße. Die 8 Kilometer bis Gomagoi waren ein einziger Albtraum. Eng, überfüllt, lärmend – und ich mittendrin, im Schweiße meines Angesichts. Die Straße war kaum breit genug für zwei Autos, aber der Verkehr war dreifach überdosiert. PKWs, Motorräder, Wohnmobile – alle Richtung Stilfser Joch. Ich kam mir vor wie ein rollendes Verkehrshindernis mit Puls 180.

Ab Gomagoi bog ich ins Suldental ab. Der Verkehr ließ sofort deutlich nach – die Straße blieb aber grottig. Irgendwann rauschte ein Linienbus an mir vorbei – und mit ihm die Erkenntnis: Ich hätte auch einfach einsteigen können. Statt mich auf einer lebensfeindlichen Passstraße abzustrampeln, bequem im Bus sitzen. Diese späte Einsicht traf mich wie ein Vorschlaghammer. Wer freiwillig hier raufradelt, muss echt einen an der Waffel haben.

Oben angekommen, zwang mich das kühle Bergwetter in eine Pension. Am Abend kehrte ich in der Pizzeria „Bärenhöhle“ ein, gönnte mir eine politisch unkorrekte „Negerpizza“ und genoss dabei den direkten Blick auf den Ortler in der Abendsonne. Ich schöpfte neue Kraft – denn der nächste Tag würde mich zum höchsten Punkt meines Alpencross bringen: dem Madritschjoch.
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