Alpencross 2017 - Tag 3
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Pfunds - Nauders - Klasjungerkopf - Graun - Prad - Sulden
Länge: 71 km
Gesamtanstieg: 450 Hm
Gesamtabstieg: 1580 Hm
Wir sind die reinsten Frühaufsteher auf dem Alpencross! 7:30 hauten wir uns ein ausgiebiges Frühstück rein, dann radelten wir zur Bushaltestelle. Der Bus nach Nauders ist mit einem Fahrradanhänger ausgestattet, da sich die meisten Via-Claudia-Augusta-Radler verständlicherweise nicht der Serpentinenstraße aussetzen möchten. Wenn man schon hochradeln möchte, dann sollte man das keinesfalls auf der stark befahrenen Reschenstraße tun, sondern den Umweg über Martinsbruck nehmen und dort über die wenig befahrene Straße zur Norbertshöhe fahren.

Der Tag versprach Genuss pur – vielleicht der entspannteste des gesamten Alpencross. Nur eine Unbekannte schwebte noch im Hinterkopf: die Frage, wie wir nach Sulden kommen würden. Aber erstmal ging’s los: Startpunkt war Nauders.

Nach zwei lockeren Kilometern erreichten wir die Talstation der Bergkastelbahn – und stiegen direkt in die Komfortzone ein. In zwei Etappen ging’s mit der Seilbahn auf den Klasjungerkopf – 750 Höhenmeter, schweißfrei.

Oben auf 2170 m erwartete uns nicht nur ein atemberaubendes Panorama, sondern auch eine Erkenntnis: Das Vinschgau spielt in Sachen Mountainbike-Tourismus ganz vorne mit. Liftanlagen sind bikefreundlich, das Trailnetz ist durchdacht, gepflegt und clever beschildert. Naturtrails, Enduro-Optionen, flowige Abfahrten – und das Ganze im Einklang mit Wanderern. Ein System, bei dem man sich fragt, warum das nicht überall so funktioniert. Während für den Wintertourismus ganze Berge umgepflügt werden, reicht uns Bikern oft ein schmaler Pfad. Doch leider siegt vielerorts noch immer die Polemik über die Vernunft.

Mein Sohn und ich zahlten die 26,50 Euro für die Seilbahnfahrt gerne – das, was nun kam, war jeden Cent wert: Der legendäre Bergkasteltrail. Teil des “3-Länder-Enduro-Trails”, flowig und doch fordernd, mit Naturbelag, Anliegern, Wurzeln und Serpentinen. Für Einsteiger entschärfbar, für Könner herrlich forderbar. Unsere Federelemente hatten jedenfalls gut zu tun – vor allem beim Übergang zum Plamorttrail.

Die Plamort-Hochebene markiert nicht nur die Grenze zwischen Österreich und Italien, sondern ist auch geschichtsträchtig: Die mächtige Panzersperre, gebaut zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, sollte einst eine deutsche Invasion verhindern – kam dann aber nie zum Einsatz. Heute dient sie eher als Fotomotiv und Orientierungspunkt für Mountainbiker.

Danach ging’s richtig zur Sache: Fels, Stufen, Wurzeln – der Trail forderte uns bis Glurns. Mein Sohn meisterte das alles auf seinem Hardtail wie ein Profi – kein Jammern, kein Zögern, einfach runterrollen mit Stil. Ich war stolz wie Oskar. So stolz, dass ich fast dem Vorschlag zustimmte, nochmal hochzufahren. Leider sagte die Uhr: “Nein.”


In Reschen am Reschensee legten wir eine ausgiebige Brotzeitpause ein. Es war gerade mal 11 Uhr – und wir hatten schon mehr Tiefenmeter gemacht als viele an einem ganzen Wochenende. In Graun bestaunten wir dann noch das Baudenkmal der alten Kirche St. Katharina – jener berühmte Kirchturm, der aus dem See ragt und von dem man heute kaum glauben mag, dass dort einmal ein Dorf stand. Bis 1950 gab es hier drei Seen. Dann kam der Staudamm – und Alt-Graun verschwand in den Fluten.

Am Haidersee entlang rauschten wir weiter, dann kam das große Runterrollen: Über Burgeis, Laatsch und Glurns ins Vinschgauer Tal – 600 Höhenmeter Abfahrt, ohne einen Tritt in die Pedale. Einfach nur laufen lassen. Wind im Gesicht. Glücksgefühl. Halbstündiger Endorphin-Flow.

In Glurns setzten wir uns in den Schatten für einen Müsliriegel-Boxenstopp. Wir beobachteten die Touristen und Radreisenden, dann nahmen wir Kurs auf Prad.

In Prad sollte es mit dem Linienbus weiter nach Sulden gehen – so zumindest der Plan. Aber ich hatte ein mulmiges Gefühl: Würde der Bus unsere Räder mitnehmen? Laut Theorie ja – in der Praxis? Tja... Mein Sohn vertrieb sich auf der Fahrt nach Pard die Zeit mit endlosem Wheelie-Fahren.

Um 13:30 Uhr standen wir an der Haltestelle. Der Bus kam – ein Reisebus mit Gepäckraum, aber ohne erkennbaren Radträger. Der Fahrer winkte ab: “Keine Räder!” Ich fing an zu verhandeln. Zeigte mein freundlichstes Grinsen. Argumentierte. Und siehe da – mit ein bisschen Improvisation, Muskelkraft und gutem Zureden quetschten wir die Bikes in den Laderaum. Der Fahrer ließ uns mitfahren – widerwillig, aber immerhin. Ich versprach ihm, das wäre das erste und letzte Mal. Er nickte. Und fuhr los.
Wer nach Sulden will, hat drei Optionen: 1. Taxi – funktioniert immer, kostet halt. 2. Stilfserjochstraße bis Gomagoi, dann links hoch nach Sulden – 1000 Hm, viel Verkehr, nur frühmorgens empfehlenswert. 3. Die verkehrsarme Nebenstraße über Bastlwies, dann über Forstwege via Vellnair, Valnairalm und Waldruhe nach Sulden – landschaftlich schöner, aber 1200 Hm und 18 km.

Wir erreichten Sulden dank unserer Busaktion ohne Muskelzucken. Nur ein paar Meter zur Pension – geschafft. 70 km fast ausschließlich bergab, mit vielleicht 450 Höhenmetern Gegenanstieg. Körperlich war das heute fast Erholung. Und das war auch gut so – denn morgen würde es ernst.
Sulden liegt beeindruckend eingebettet in einem Hochtal unter dem mächtigen Ortler (3905 m) – dem höchsten Berg Südtirols, mit der größten Eiswand der Ostalpen. In der Pizzeria Bärenhöhle ließen wir uns Pizza und Kaiserschmarrn schmecken – mit Blick auf unser morgiges Ziel: das Madritschjoch. Es sah kalt, hoch und schroff aus.

Die Wetteraussichten für morgen machten mir allerdings Sorgen. Eine Kaltfront mit Gewittern war angekündigt. Und wir würden in den höchsten Bereich unserer Tour aufsteigen. Mal sehen, was da auf uns zukommt...

Fazit von Tag 3: Gekennzeichnet durch Bergabfahren, Runterfahren und Downhillbiken. Körperlich noch nicht ausgelastet, aber das tat nach den anstrengenden ersten beiden Tagen auch mal gut.
Highlights des Tages:
- Downhill vom Klasjungerkopf bis nach Glurns: technisch, wild, einfach grandios
- Highspeed-Radwegabfahrt ins Vinschgau: pure Entspannung auf zwei Rädern
- Pizza und Kaiserschmarrn in der Bärenhöhle: mit Ortlerblick inklusive
Der Berg ruft – aber morgen antwortet erstmal das Wetter...
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