Alpencross 2013 - Tag 4
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Mallnitz - Obervellach - Sachsenburg - Fellscharte - Weissensee
Länge: 55 km
Steigung: 850 m
In der kleinen Pension gönnte ich mir eine wohlverdiente Regenerationspause. Ich nutzte die Gelegenheit, um meine Akkus – sowohl die elektronischen als auch die körperlichen – wieder aufzuladen. Biwaksack, Klamotten, Handschuhe, alles war klamm vom gestrigen Tag, hing jetzt aber sauber sortiert über Stuhllehnen, Heizkörpern und Türrahmen. Nach einem üppigen Frühstück, bei dem ich mir ordentlich Kalorien auf Vorrat einverleibte, schwang ich mich wieder in den Sattel – heute stand eine sogenannte Erholungsetappe an. Die gestrige Querung über den Tauernkamm spürte ich noch deutlich in den Oberschenkeln.
Den ersten Abschnitt auf der Straße aus Mallnitz heraus umging ich elegant über einen schmalen Waldpfad, auf dem Radfahrer eigentlich nichts zu suchen haben – es sei denn, sie wollen nicht gesehen werden. Kurz darauf folgte eine knackige Steigung, ehe sich mein Weg auf eine stillgelegte Bahntrasse verlegte.

Natürlich hätte man auch über die Landstraße Richtung Obervellach abfahren können, aber wo bleibt da der Spaß? Stattdessen rollte ich nahezu lautlos über das leicht abschüssige Schotterband der alten Bahnstrecke, die sich in weitem Bogen talwärts zog – keine Autos, kein Verkehr, dafür Panoramablick auf das grüne Mölltal. Herrlich.

Die letzten 240 Höhenmeter hinunter ins Tal musste ich dann doch auf Asphaltserpentinen vernichten, was meiner Stimmung aber keinen Abbruch tat.

Unten im Tal ging es auf einem Radweg für ein paar Kilometer entlang der Landstraße dahin. Ab Obergratschach konnte ich den Asphalttrubel endgültig hinter mir lassen und glitt auf einsamen Nebenstraßen und schattigen Radwegen der Möll entlang, vorbei an kleinen Dörfern und gepflegten Gärten, bis ich schließlich bei Lurnfeld ins Drautal einbog.

Hinter Sachsenburg – mit seinem überraschend hübschen Marktplatz – wechselte ich auf die Route entlang der Drau. Bis Fellbach war ich fast durchgehend auf Radwegen unterwegs und konnte entspannt pedalieren. Kurz hinter dem Ort zweigte dann ein Forstweg nach oben ab – zum 700 Höhenmeter höher gelgenen Ziel Alm „Hinterm Brunn“. Die Strecke zog sich. Es war heiß. Die Sonne brannte mir erbarmungslos auf den Helm, und meine zwei Liter Wasser gingen bedrohlich zur Neige. Brunnen? Fehlanzeige. Kärnten scheint da eher geizig ausgestattet zu sein. Das zerrte an den Nerven – und an der Leistungsfähigkeit.

Beim Weiler Fellberg tat sich noch einmal ein schöner Blick ins Drautal auf, dann verschwand ich im Wald. Der Forstweg wand sich in weiten Kurven an einem tosenden Bachlauf entlang, der sich tief unten in die Schlucht gegraben hatte.

Als ich schließlich die große Almwiese auf 1250 m erreichte, auf der die Hütte „Hinterm Brunn“ lag, fiel die Anspannung etwas ab. Ab hier begann die Abfahrt – erst als Karrenweg, dann steil und ruppig auf einer Forststraße. Auf diesem Abschnitt begegnete ich tatsächlich zum ersten Mal seit Tagen ein paar Wanderern. Offenbar verirren sich doch hin und wieder Touristen hier herauf, um einen Blick auf den Weissensee zu erhaschen oder die Alm zu besuchen – wenn auch wohl eher ohne Drahtesel.

Der Weissensee selbst war dann ein ziemlicher Kontrast zum bisherigen Tag. Alles war touristisch durchgestylt, jedes Fleckchen Ufer entweder Hotelbesitz oder abgesperrtes Privatgrundstück. Camping? Verboten. Freies Biwakieren? Unmöglich. Ich wollte eigentlich irgendwo am See mein Nachtlager aufschlagen, aber das war angesichts der allgegenwärtigen „Betreten verboten“-Schilder und des regen Spaziergängerbetriebs am Nordufer aussichtslos. Also Plan B: Touristeninformation.

Die war überraschend effizient. Leider auch preisstabil. Ich nahm das günstigste Angebot: ein Zimmer im Hotel Regitnig für 65 Euro mit Frühstück. Nicht billig, aber mein Bedarf an Abenteuer war für heute gedeckt. Das Bike parkte ich in der hauseigenen Fahrradgarage, lud mein Gepäck ins Zimmer 304 und wechselte in den Erholungsmodus. Das hoteleigene Badehandtuch war gleichzeitig meine Eintrittskarte zum hoteleigenen Badestrand, wo ich mich in den erstaunlich warmen See stürzte. Danach: Liegestuhl, Sonne, ein Hauch von Wellness.

Dann zogen dunkle Wolken auf. Es begann zu regnen. Ich schlenderte zurück ins Hotel, wusch meine Socken, das Bike-Shirt und die Unterhose im Waschbecken, stellte mich für eine gefühlt ewige heiße Dusche unter das Wasser und ließ mich danach ins weiche Bett fallen. Mit einer Hand griff ich noch nach dem Beutel mit dem würzigen Dörrfleisch, kaute genüsslich, fühlte mich angenehm leer – und schlief ein, bevor ich den Beutel zur Seite legen konnte.
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