Alpencross 2013 - Tag 7
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Soca-Tal - Tolmin - Cepovan - Lokve - Modrasovec
Länge: 65 km
Steigung: 1450 Hm
Ich glaube, ich bin jetzt offiziell immun. Gegen Stechmücken. Also nicht körperlich, aber mental. Sie stechen, ich zucke nicht mal mehr. Es juckt kaum noch – entweder ist mein Körper abgestumpft oder einfach resigniert. Immerhin: keine Wildschweine heute Nacht. Stattdessen ein Rudel lautstark feiernder Vierbeiner – vermutlich wilde Hunde, vielleicht Wölfe, oder irgendwas dazwischen. Jedenfalls: akustisch eindrucksvoll. Die haben sich in der Dunkelheit gegenseitig Mut zugesungen – in mehreren Akten. Aber ich war so müde, dass es mir herzlich egal war. Schlaf hatte Vorrang, und tatsächlich: ich schlief durch. Fast. Kurz vor Sonnenaufgang weckte mich dann doch ein besonders inbrünstiges Heulen. Irgendwo zwischen Gänsehaut und „Ist mein Essen jetzt fertig?“
Am nächsten Morgen ging’s weiter – auf einsamem Schotterweg durch herrlich abgelegenes Terrain. Bis zur nächsten Biegung des Flusses. Dann: Game over. Ein Erdrutsch hatte den kompletten Weg mit in die Tiefe gerissen. Komplett. Da, wo gestern noch Weg war, tobte jetzt die Soča. Also Retour, zurück zur Boka-Brücke. Da musste ich – seufz – wieder auf die Hauptstraße. Kein Radlertraum, aber immerhin: rollfähig.

Ich trat in flottem Tempo auf der Landstraße durch Srpenica und Trnovo bis nach Kobarid, wo ich endlich wieder die Soča queren konnte.

Hinter Kobarid kam ein Forstweg ins Spiel, der mich über Ladra und Volarje nach Tolmin brachte. Endlich mal wieder Radwandern, nicht Verkehrsroulette. Ab Tolmin konnte ich kurz auf einen Nebenweg ausweichen – natürlich mit dem obligatorischen Bike-Verbotsschild –, doch bald warteten wieder 2,5 Kilometer Asphalt-Schicksal. Immerhin: Danach schwenkte ich bei Modrej auf einen wunderschönen Uferweg aus (wieder verboten, versteht sich), der mich bis Most na Soči führte. Dort bog ich auf eine ruhige Hangstraße ein, die sich schweißtreibend, aber friedlich am Berg Kline hochwand. Abgeschiedenheit pur – nur ein paar italienische Rennradfahrer (uniformierte Werbetafeln auf zwei Rädern), zwei entspannte holländische Motorradfahrer und eine Handvoll Autos.

Dann, endlich: ein Weiler namens Gruden. Und mit ihm – Halleluja – ein Brunnen! Ich wusch mir das Gesicht, trank, füllte auf. Ich war so durchgeschwitzt, dass sogar mein Sattel feucht war – und das lag nicht am Morgentau.

Nach der Erfrischung ging’s hinab nach Cepovan, wo eine grob geschotterte Forststraße abzweigte – Ziel: Lokve. Es ging nochmal ordentlich bergauf, aber fahrbar. Auf knapp 1000 m erreichte ich einen Aussichtspunkt mit tollem Blick – leider auch mit gnadenloser Sonne. Ich machte nur kurz Pause, bevor ich mich den letzten Kilometer locker nach Lokve hinunterrollen ließ.

Lokve ist ein nettes kleines Bergdorf mit einem Restaurant im Hotel Winkler – ziemlich zivilisiert für diese abgelegene Ecke. Viele italienische Touristen hier, also: endlich wieder verständlich kommunizieren! Ich bestellte Gnocchi, ein Radler, leerte den kompletten Brotkorb und genoss mein Essen in aller Ruhe. Ich widerstand der Versuchung, einfach hier zu bleiben – es war noch früh, der Berg rief.

Also aufs Bike, weiter. Der letzte große Anstieg der Reise stand an: der Modrasovec im Caven-Gebirge. Die Wegweiser: rustikal. Die Richtung: unklar. Aber zum Glück hatte ich mein GPS – technisches Nervensystem und Rettungsanker in einem. Verfahren ausgeschlossen, dachte ich. (Spoiler: später doch fast.)

Die Forststraße zog gleichmäßig an, von 950 m in Lokve auf 1250 m zum Gipfel. Zwischendurch eine kurze Abfahrt zur Mala Lazna – einer Hütte mitten im Trnovski-Wald, auf einer offenen Lichtung, die fast schon kitschig schön war. Dann weiter, stetig bergauf, 11 Kilometer lang, zur Hütte mit dem unaussprechlichen Namen: Koča Antona Bavčerja na Čavnu. Irgendwo auf dem Weg entdeckte ich einen Aussichtspunkt – und dann: Boom. Das Meer! Dunstig, aber da. Das Mittelmeer lag plötzlich vor mir. Ich konnte es sehen! Herzklopfen. Ein Foto. Weiter.

An der Hütte angekommen: Almwiese, Blick bis Ajdovščina, langsam sinkende Sonne. Während ich mein Lager aufschlug, ging gerade eine slowenische Geburtstagsfeier zu Ende – Familien, Gitarren, Gelächter. Ich entdeckte meinen geplanten Abfahrtsweg – natürlich durch ein Mountainbike-Verbotsschild klar als solcher markiert.

Die Hüttenwirte hatten nichts gegen mein Nachtlager auf der Wiese, also machte ich’s mir gemütlich. Isomatte ausgerollt, Schlafsack ausgebreitet. Auf ein Tarp verzichtete ich, das Wetter war sommerlich heiß und stabil. Zwei Biere später schlief ich wie ein Baby.
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